Zwei Plenartage hospitierte ich im sächsischen Landtag. Bin neuerdings immerhin dessen Angestellter. Also sitze ich bisweilen brav auf der Empore und höre mir halb amüsiert, halb indigniert die sogenannten Debatten an. Dass bei jener über innere Sicherheit der Gorilla auf der Hollywoodschaukel gar nicht erst oder nur als angeblicher vorkommt, ist zwar nicht überraschend, aber befremdlich dennoch. Auch dieses Forum knebelt sich beflissen selbst, wie sollte es anders sein, und wenn der AfD-Flügel zwischendurch immer mal wieder auf den Gorilla hinweist, führt das zu drolligen Empörungsreflexen derer, die sich auf dessen Nichterwähnung verständigt haben und jedes Zuwiderhandeln als Primatenfeindlichkeit rügen.

Als ein AfD-Abgeordneter sagte, die Regierung habe die Kontrolle über die Einwanderung verloren, also das, was alle Welt weiß und was sogar sämtliche Innenminister und viele Bürgermeister im Wochentakt bestätigen, spielte die linksrotgrüne Seite des parlamentarischen Amphitheaters Tumult und fingierte Entrüstung. Ob er heute etwa auf dem Weg zu Parlament von marodierenden Ausländerhorden überfallen worden sei, fragte ein grüner Abgeordneter (oder war's ein roter; wer will da Unterschiede machen?) den dunkeldeutschen Kollegen, als ob beispielsweise hierzulande die Atomkraftwerke vor dem deutschen Ausstieg aus der ganzen Technologie serienweise in die Luft geflogen seien. – Trefflicher lässt sich die Entsolidarisierung der politischen Klasse und überhaupt der Eliten gegenüber der einheimischen Unterschicht kaum illustrieren. Ihr eigener Status ist ungefährdet, ihr eigener Arbeitsweg gefahrlos, wen kümmert der Rest? – Es brennt irgendwo? Aber was wollen Sie, es brennt doch nicht bei mir! Und so schlimm wird es schon nicht sein! Verbreiten Sie keine Panik! Oder Hetze gar! Wer weiß, warum es brennt bzw. warum behauptet wird, dass es brenne? – Was schert diese Leute denn der nächtliche Heimweg einer Schichtarbeiterin in den Problemvierteln Duisburgs, Essens, Dortmunds, was der Schulweg eines der letzten biodeutschen Kinder in Berlin-Neukölln oder Bonn Bad-Godesberg? Die Unterklasse wird aus ihren Häusern verdrängt, in ihren Vierteln marginalisiert, die Mädchen und Frauen werden sexuell belästigt, die männlichen Einzelkinder sind den Brüdern und Clans ausgeliefert, und die Herrschaften aus kontrolliertem Gesinnungsanbau wachen von ihren besseren Stadtteilen aus penibel darüber, dass keiner der Kujonierten einen rassistischen Mucks von sich gibt.
Im Grunde ist es übrigens einerlei, was die AfD vorschlägt; die anderen, die Blockparteien, lehnen per se ab. Will die AfD Ehen mit Minderjährigen verbieten, findet sich prompt eine Konsenspflegerin von links, die unterstellt, die Forderung sei ja im Prinzip richtig, aber dahinter steckten eben doch wahrscheinlich Rassismus und andere Teufeleien. Am Mittwoch lehnte die Größtmögliche Koalition der Anständigen bzw. anständig Gebliebenen einen AfD-Antrag zur Konzertförderung in Sachsen ab, weil er von der AfD stammte. Ein Musiker von einigem Renommee hatte sich mit diesem Antrag an die fröhlichen Rechtspopulisten gewandt, denn seine Vorschläge waren zwar zuvor von den anderen Parteien wohlig begrummelt und als sehr erwägenswert eingestuft worden, aber ansonsten war über mehrere Jahre nichts passiert. Der Antragstext hat sich seit 2013 nicht geändert, der Inhalt nicht, die beteiligten Ensembles und Künstler nicht. Selbst die Unterstützer sind im Wesentlichen die gleichen Personen wie zuvor. Aber da nun die Falschen die Sache unterstützen, musste sie durchfallen und zuvor knalldeutsch der Deutschtümelei geziehen werden. Würde die AfD morgen die Windenergie unterstützen, die Grünen fingen wahrscheinlich an, sich wieder für die Atomenergie zu erwärmen und ganze Schulklassen statt zum Umarmen von Windrädern nunmehr zum Kuscheln mit Kühltürmen zu animieren.
Es ist „Politik" auf einem infantilen Niveau, das bereits bei meinem Siebenjährigen nicht mehr funktioniert. Wenn ich dem verbiete, dass er Klavier übt, übt er trotzdem nicht.
In der Inklusionsdebatte stellte eine Rednerin die maßvoll schlaue, aber grenzenlos verheuchelte Frage, warum sich so viele Menschen begeistert die Olympischen Spiele anschauen, während kaum jemand wüsste, wann die Paralympics begännen. Ein Volksvertreter, der hierauf die korrekte Antwort erteilte, sähe sich wochen- bis legislaturperiodenlang dem feilen Geplärr der Berufsentrüsteten ausgesetzt, deshalb tut's keiner. Die Antwort lautet: Weil Sport die Feier des gesunden, schönen, erotischen, athletischen Körpers ist. Die Leistungen der Behindertensportler sind bewundernswert, aber ob man sich diese Darbietungen anschauen will, soll jeder selbst entscheiden, und niemand muss sich ein schlechtes Gewissen machen lassen, wenn er davon Abstand nimmt. Ich glaube auch nicht, dass es eine nennenswerte Zahl von Behindertensportlern gibt, die es einklagen würden.
Quelle: http://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna/item/304-september-2016-304
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